Workshop Cybersex oder der moderne Orgasmus


Dies ist der Leitfaden des Workshops am 15. Oktober 2008 in Waiblingen.

 

Dipl. Psych. Falk Beyer-Götzinger Psychologischer Psychotherapeut T.09131/23190 Drausnickstr. 159 91052 Erlangen psychologische_praxis@fen-net.de www.beyer-goetzinger.de

               Cybersex - Sucht oder der moderne Orgasmus

Workshop auf der Fachtagung: Schlangen im Schafspelz sexualisierte Gewalt im Kontext der Neuen Medien 15.Oktkober 2008 Bürgerzentrum Waiblingen

 GLIEDERUNG

 0) Einleitenden Bemerkungen

 1) Soziokulturelle Bedingungen

 2) Auswirkungen

 3) Therapeutische Ansätze

 ad 0) einleitende Bemerkungen:

 - Wir sprechen über Kultur! (Schattenseite!)

 - als Mann macht mich die Situation und deren Entwicklung persönlich

betroffen

 - freue mich hier mit Ihnen meine Beobachtungen und

Schlussfolgerungen diskutieren zu dürfen

 - Selbstvorstellung: PP eigene Praxis seit 20J. Familie

 - mein Zugang zu diesem Thema erfolgte über mein

Spezialgebiet: Paararbeit, Ehetherapie

 - ich stelle Ihnen heute meine praktischen Erfahrungen vor,

keine theoretischen Untersuchungen

 - Mein Vorschlag: Großes Thema, deshalb nennen Sie mir Aspekte,

die Sie besonders interessieren,

ich versuche, darauf verstärkt einzugehen.

 - Moderner Orgasmus:- physiologisch derselbe, daran hat das

Internet nichts verändert

- innere und äußere Einsamkeit

- Verknüpfung von Orgasmus/Sexualität mit Dingen/Fetisch und Beziehungen: Gewalt/SM/

 ad 1) soziokulturelle Bedingungen:

- technische Seite: - Digitalisierung/Internet/Schneller Zugang

- extrem leichter Zugang,

- anonymer Zugriff

- keine Altersbeschränkung,

- keine speziellen.Kosten

- zu Hause

- umfassende Virtualisierung (bis zur Second World)

- kulturelle Seite: - geschlechtsspezifische Sozialisierungen

- männliche Coverants/ Vorbilder

- männlich polygame Denkweisen "Hengstsyndrom"

- Angebot des Cybersex für Männer: Pornos für Männer

- Verknüpfung von Sex mit Besitz/Ansehen

- Verknüpfung von Sex mit Macht und Gewalt

- zunehmende Sexualisierung der Gesellschaft

- Sex in der Werbung

- Porno-Industrie (dt. Industrie im Ggstz zu USA)

ad 2) Auswirkungen:

- Hauptbetroffene: Männer ab der Pubertät

- bedeutsame Unterscheidung nach dem Alter: Kinder/Jugendliche

und Erwachsene

- Kinder/Jugendliche: - Bilder im Kopf vor den realen Erfahrungen

mit dem anderen/gleichen Geschlecht

- Frauen/Mädchenbild: stets verfügbar, bereit für Sex, Besitz d. Mannes, lieben Macht, gewalt, Erniedrigung,

- Verknüpung v. Sex mit Macht: Gewalt und Besitz

- Auswirkung auf die Mädchen: Angewidert, angeekelt, angepasst

- erwachsene Männer: - Bilder im Kopf statt Partnerin

- Fixiertheit auf eingefahrene Praktiken

- Suchtsymptomatik

- Auswirkungen auf Ehe/Partnerschaft und Familie

- Auswirkungen auf den Beruf/ soziale Existenz: Kriminalisierung (z.B. Diebstahl, Voyeurismus, Exhibitionismus

- Auswirkungen auf die Gesundheit, Potenzstörungen, Muskelentzündungen, Erschöpfung, Krankheiten und Selbstverletzungen

- Polyabhängigkeiten: Amphetamin-Abhängigkeit, Spielsucht etc.

 

- Was ist Sexsucht: - Leeitsymptomen:

- Die sexuelle Aktivität wird zunehmend wichtig, überwertig, verdrängt

nach und nach alle anderen Interessen;

- Kontrollverlust tritt auf - Durchbrechen aller Vorsätze, Schwanken

zwischen Über-Kontrolle und dem Verlust von Kontrolle über die sexuellen Handlungen;

- Fortsetzung dieses Verhaltens trotz negativer Konsequenzen ja erheblicher Eigengefährdung;

- Progressiver Verlauf

- Sexsucht an sich ist gegenwärtig ist nicht im ICD 10 als eigene Krankheit verschlüsselt.

 

- (Sexuelle Störung (ICD 10 F 66-9);Paraphilien (ICD 10 F 65-9);Störung der Impulskontrolle, (ICD 10 F63-9)

oft im Zusammenhang mit Posttraumatischer Belastungsstörung (ICD 10 F 43. 1) Störung durch psychotrope Substanzen (ca. 60% der SA)

Anpassungsstörung (ICD 10 F 43.8) (mit Beeinträchtigung der beruflichen und sozialen Tätigkeiten))

 

- Stufen nach B. Mäulen: Art und Umfang der sexuellen Abhängigkeit:

 

Stufe I

zwanghaftes Masturbieren

multiple Partner/innen

exzessive sexuelle Phantasien

Telefonsex

Exzessiver Gebrauch von Pornographie

sexuell sadistisches oder masochistisches Verhalten

 

 

Stufe II

sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit

obszöne Anrufe bei Unbekannten

Nekrophilie

Exhibitionismus

Frotteurismus

Prostitution ob als Prostituierte oder als Freier

Voyeurismus

Sexuelle Belästigung z.B. am Arbeitsplatz

 

Stufe III

sexuelle Belästigung/Handlungen mit Kindem oder Minderjährigen

Sex mit ,vulnerablen" Erwachsenen (unter Drogen, Minderbegabten)

Sex mit Klientinnen, Patientinnen, Gemeindeangehörigen  

 - weitere Kriterien: Straffälligkeit, Aggressivität, andere

stoff- und nicht stoffgebundene Süchte, andere psychische Erkrankungen

  

ad 3) therapeutische Ansätze bei Online/Sexsucht

 

- eigene therapeutische Erfahrungen

- wenig Literatur/Forschung/Erfahrungsaustausch

 

- Fallbeispiele: - Karl, 18 J. Schüler, Zwangsstörung

- J.A., 42 J., Softwareentwickler im Grosskonzern, allein, ultimative Pornonutzung nachts

- X.L., 43 J. Manager im Grosskonzern, Familie, 2 kleine Kinder, Porno, Prostitution

- M.T., 33J. Zahnarzt, Frau mit Neugeborenem, Sexchat

- A.D., 30 J., Lagerarbeiter, Frau, jugendliche Tochter, Richtung Pädophilie

- B.L., 25 J., Mechaniker, allein bei Mutter, ultimative Pornonutzung

- R. L. 46 J., Musikpädagoge, Domina-Prostitution, sex. Mißbrauch durch Priester

 - Wer kommt ambulant und aus welchen Gründen:

- Leidensdruck

- Beginn der Einsicht

- Druck der Bezugspersonen

 

- Erfahrungen der Therapie von Sexsüchtigen Männern:

  

- Basisvariablen erfolgreicher Therapie: Empathie, Offenheit, Kompetenz, parteiliche Neutralität,

flexibles Setting

 

- Einstiegsmotivierung und Klärung der Beziehung: Bin Therapeut nicht Jurist: Ursache-Wirkungs-Analyse statt Schuld/ Bewertung

 

- Erarbeitung der Notwendigkeit medikamentöser Unterstützung (selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Fluoxetin

oder Paroxetin und z.B. Antiandrogene wie z.B. Cyproteron (Androcur) bei sexuellen Straftätern eingesetzt.

 

 

- Erarbeitung der allgemeinen biografischen Elemente des Klienten:

 

- Seine Verletzungen/Grenzüberschreitungen und

- seine Defizite

 

- und bedeutsam:

 

Seine Fähigkeiten/Fertigkeiten, Ressourcen, Kompetenzen und Stärken

 

Merke: SUCHT IST SCHWÄCHE!!

 

- Erarbeitung der spezifisch-sexuellen Entwicklung des Klienten: Zeitpunkt, eigene Erfahrungen

positiver wie negativer Art, Einstieg in Pornografie, weiter Entwicklung der Sexualität und

Einstieg in das Suchtverhlaten, Entwicklung der Sucht

 

 - Erarbeitung des Opfer-Täter-Modells bei Partnerschaft und Übergriff

- Einbeziehung der Partnerin: Erarbeitung von Fremdbild des Klienten, Betroffenheit/Belastetheit

der Angehörigen, Verständnis der Krankheit, Klärung der Co- Abhängigkeit vs Co-Therapeutenrolle,

Erarbeitung einer gemeinsamen Strategie,

 - Erarbeitung erfolgreicher Paargestaltung: innere und äußere Treue, Offenheit und Mut,

die eigenen Bedürfnisse zu kommunizieren, Vertrauen wieder herstellen, durch Erkenntnis und

Auflösung der Ursachen der Sucht in den eigenen biografischen Altlasten und der aktuellen Paarsituation

- Eindeutige Forderung nach sexueller Abstinenz ("Entgiftung") und

Ermöglichung der Erfahrung: "Ich bin stärker, als meine Sucht!"

- Besprechen der Bilder/Filme im Kopf, Fetischismus, spez. Vorlieben

- Erarbeitung der Auslöser-Ursachen-Wirkungs-Verhaltensketten

- Abgrenzung gesunder versus auf Scham basierender Sexualität,

- Entspannungsverfahren

- Notfallplan

- zusätzliche kommunikative Angebote: z.B. email-Kontakt

 

- Im Internet:

- www.onlinesucht.de

- www.de.wikipedia.org/wiki/Sexsucht

- www.sex-sos.net

- www.slaa.at, Deutschsprachige S.L.A.A. Internetseite

- www.onmeda.de/lexika/sexualitaet/sexsucht.html

- http://www.anonyme-sexsuechtige.de

 

- Literatur:

- P. Carnes, Wenn Sex zur Sucht wird. Kösel Verlag,

München, 1992

- Wolf Deling, Sexsucht: Der sexte Sinn, Brunnen-Verlag, Gießen 2004

- Ralph H. Earle und Mark R. Laaser, Sexsucht: Wenn Bilder süchtig machen,

Brunnen-Verlag, Gießen 2005

- Kornelius Roth, Sexsucht: Wenn Sex süchtig macht. Einem Phänomen auf der Spur, Links 2004

- http://www.anonyme-sexsuechtige.de/literatur.html